Factcheck Eigenbeitrag

Peter Scholl-Latour 2006, 2014 zur Ukraine

2014
Interview Alfred Schier mit Peter Scholl-Latour aus Anlass dessen 90. Geburtstags auf Phönix

Zunächst interessiert mich doch noch ihre Einschätzung der aktuellen Situation in der Ukraine. Wie beurteilen sie da die Situation?

Peter Scholl-Latour im Interview

Man hatte gar nicht zur Kenntnis genommen dass die Ukraine kein geeintes Land ist. Es gibt den westlichen Teil, der österreichisch war, ein bisschen zwischen den Kriegen auch polnisch, und der auch katholisch orthodox ist. Also sie haben den orthodoxen byzantinischen Ritus, aber sind dem Papst unterstellt. Das macht einen enormen Unterschied zum Osten, der rein russisch tief orthodox ist. [..]
Und wenn es eine Lösung für die Ukraine geben sollte, wäre es im Grunde eine Föderation, eine Gruppierung föderierter Gebiete, die aber doch sorgfältig voneinander getrennt sind. [..] Auf der Krim ist es ziemlich eindeutig – die Krim ist überwiegend russisch.

2006
Einblendung eines Ausschnitts der Dokumentation von Peter Scholl-Latour
„Russland im Zangengriff“

Man versetze sich in die Lage der russischen Patrioten. Die NATO dehnt ihren militärischen Einfluss über die willfährige Ukraine bis zum Don aus. In Fernost blickt Moskau voll Sorge auf seine menschenleere Taigaregion und die boomende Großmacht China jenseits des Amur. Dazu kommt innerhalb der eigenen Grenzen ein muslimischer Bevölkerungsanteil von 20 Millionen, der seine Identität im koranischen Glauben sucht. Für Wladimir Putin ist der Abfall der Ukraine schwer erträglich.

Jeder erinnert sich an die stürmische Begeisterung der Orangenen Revolution auf den Maidan von Kiev, die dem Separatismus zum Sieg verhalf. Die Helden dieser nationalukrainischen Volkserhebung, an ihrer Spitze Präsident Juschtschenko, haben seitdem ihr Prestige eingebüßt. Gegengewicht und Kontrast zu Kiew bildet im Osten der Ukraine das Industrierevier Donbass mit der Stadt Donezk, die einmal Stalino hieß. In dieser Landschaft von Stahlwerken und Zechen ist die Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg längst nicht verblasst. Die Masse der Bevölkerung bekennt sich zur russischen Nationalität.

Donbass

Nach dem Verlust der Ukraine sei Russland dazu verurteilt, ein überwiegend asiatisches Imperium zu werden. So verlocken bereits einige einflussreiche Ideologen in Washington und viele Europäer schließen sich diesem neuen Drang der NATO nach Osten an. Aber zumindest die Deutschen müssten wissen, dass nur 300 km von dieser Grenze des Donbass entfernt eine Stadt liegt, die Stalingrad hieß und noch einmal 100 km nach Osten beginnt das Territorium der zentralasiatischen und überwiegend muslimischen Republik Kasachstan.

2014
Fortsetzung des Interviews

Man muss das noch mal sagen, diese Analyse ist 8 Jahre alt, stammt von 2006. Aber die gilt eins zu ein noch heute.

Die Europäer müssen im Moment darauf bedacht sein ihre Kräfte zu konzentrieren und nicht zu expandieren. Schon Rumänen und Bulgarien wahrscheinlich schon zu viel, jetzt diese riesige Ukraine noch dazu wäre völliger Unsinn und die amerikanische Staatssekretärin, die gesagt hat gesagt hat „Fuck the EU“ , hat im Grunde einem vernünftigen Reflex entsprochen, so bitte das für uns auch klingt.

Alfred Schier und Peter Scholl-Latour

Die Russen sind ja in Sorge, dass das, was der Westen hier in der Ukraine macht, keine selbstlose Unterstützung einer Freiheitsbewegung ist sondern in Wirklichkeit Teil einer Strategie der NATO, der USA, der EU, die Grenzen der NATO bis nach Georgien, bis in die Ukraine auszudehnen und am Ende Russland in die Knie zu zwingen. Ist da was dran?

An dieser Furcht der Russen da ist zweifellos was dran. Ich sag nicht, dass alle diese Meinung vertreten. Es gibt auch in Washington hochintelligente Leute. Aber im Moment sieht es wirklich so aus, als sei man darauf aus, die Russen zurückzudrängen. Man spielt Kalter Krieg auf einmal, redet von Sanktionen, was für Europäer völlig blödsinnig ist. Wir würden mehr unter den Sanktionen leiden als die Russen.

Es ist also wirklich ein Spiel im Gang, das geradezu grotesk ist, mit diesem ständigen Putin-Bashing, auch China-Bashing. Gegen China ziehen wir auch zu Felde, gegen den Iran, was hat uns der Iran getan, ziehen wir auch zu Felde. Die Europäer verschätzen sich völlig in ihrer Rolle. Sie sind keine Weltmacht mehr und haben in der Welt nichts mehr zu sagen.

Das ausführliche Interview finden Sie hier