Die Aktualität von Wikileaks-Dokumenten und Erkenntnissen von Julian Assange
zur Vorgeschichte von Kriegen am Beispiel des Ukrainekonfliktes
Vor zwanzig Jahren überfiel eine Streitmacht unter Führung der USA den Irak. Dieses völkerrechtswidrige Verbrechen wurde durch eine Medienkampagne über vermeintliche Rüstungsvorbereitungen des Irak vorbereitet.
Ein australischer Publizist hat sich intensiv insbesondere mit den Kriegen des 21. Jahrhunderts, ihrer Entstehung und der Dokumentation des tatsächlichen Kriegsgeschehens befasst.
Dieser Publizist ist Julian Assange.
Nicht nur die Veröffentlichungen zu Kriegsverbrechen in Afghanistan (Afghan Warlogs) und im Irak (Iraq Warlogs) haben ihm den Hass der USA eingebracht. Dieser wurde verstärkt durch Enthüllungen von Informationen über die Sicht der Vereinigten Staaten auf den „Rest“ der Welt (Cablegate) und durch den Blick in den geheimen Wekzeugkasten der CIA (Vault 7).
Unbedingt aber soll der Mantel des Schweigens auch über Erkenntnisse von Julian Assange zum Zusammenhang von Krieg, Lüge und Verantwortung der Staatsmedien gebreitet werden.
Julian Assange am 8. Oktober 2011 auf dem Trafalgar Square
„In den Demokratien, oder besser den Pseudo-Demokratien, zu denen wir uns entwickeln, sind Kriege das Resultat von Lügen. Der Vietnamkrieg und das Engagement der USA waren das Ergebnis des Tonkin-Zwischenfalls – einer Lüge. Der Irakkrieg war bekanntermaßen das Ergebnis von Lügen. Die Kriege in Somalia sind das Ergebnis von Lügen. Der zweite Weltkrieg und die deutsche Invasion in Polen war das Ergebnis sorgsam konstruierter Lügen.
Das ist Krieg durch Medien. [..] Wenn wir verstehen, dass die meisten Kriege aus Lügen resultieren, die der britischen, amerikanischen, europäischen Öffentlichkeit und den Lesern anderer Länder untergeschoben worden waren – wer sind dann die Kriegsverbrecher? [..] Und wenn man denkt, dies bedeute eine verzweifelte Lage, weil die Realität um uns herum aus Lügen besteht, erdacht von Menschen, die denjenigen nahestehen, die sie eigentlich kontrollieren müssten, so kann uns das auch zu einer optimistischen Schlussfolgerung führen.
Wenn Kriege durch Lügen begonnen werden können, dann kann Frieden durch Wahrheit gewonnen werden.“ (1)
Die tatsächlichen elementaren Lebensinteressen und Ansprüche entsprechend internationalem Recht der beteiligten Staaten („Wahrheit“) – müssen und können am Verhandlungstisch austariert, sollten nicht vorsintflutlich mit nackter Gewlat auf dem Schlachtfeld durchgesetzt werden.
Genauso wenig wie es den USA und Großbritannien bisher gelungen ist, Julian Assange trotz fast vierjähriger psychologischer Folterhaft im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh zur Strecke zu bringen, ebenso wenig haben von Wikileaks veröffentlichten Dokumente an Gültigkeit verloren. Dies gilt umso mehr für seine Überlegungen zur medialen Vorbereitung von Kriegen, wie nachfolgend am Beispiel der Vorgeschichte des Ukrainekriegs gezeigt wird.
Lügen von Seiten der NATO-Allianz und der Ukraine
„Keine Ausdehnung der NATO nach Osten“ (1990)
Die Zuspitzung der politischen Krise in der Ukraine bis zum Ausbruch der offenen militärischen Auseinandersetzung mit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine wird bis zurück zum Jahr 1990 von Lügen begleitet. Der Anschluss der DDR an die BRD wurde auch mit dem Versprechen begleitet, dass sich die NATO „keinen Inch“ nach Osten ausbreiten würde – einer Lüge. (2)
Orangene Revolution und Maidanumsturz waren spontane Volksbewegungen (2004, 2014)
In den Jahren 2004 (orangene Revolution) und 2014 (Maidan, Putsch gegen die Regierung Janukowitsch) waren keine spontanen Volksbewegungen. Der Maidanaufstand wurde über von den USA finanzierte NGOs orgnisiert und durch die US-Botschaft in Kiew unterstützt. (3)
Das Minsker Abkommen (2015)
Erst in jüngerer Vergangenheit bekanntgeworden ist die beispiellose gemeinsame Lüge von drei Unterzeichnern des Minsker Abkommens. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident François Hollande und der ukrainische Präsident Pjotr Poroschenko unterzeichneten eine international gültigen Vertrag mit dem Ziel, Zeit zu gewinnen, um die Ukraine massiv aufzurüsten.
Die Verträge hatten nach außen zum Ziel, den Bürgerkrieg im Donbass zu beenden und die territoriale Integrität der Ukraine zu erhalten. Mit der Lüge der Minsker Verträge wurde der Krieg mit Russland vorbereitet und Vertrauen auf lange Sicht zerstört.
Die Wahlversprechen von Wolodymyr Selenskyj (2019)
Kann man den Bruch von Wahlversprechen als Lüge bezeichnen? So leicht, wie diese allerorten vergessen werden, eher als Gewohnheitslüge. Die Wahl 2019 gewann Selenskij mit zwei Versprechen:
den Bürgerkrieg im Osten zu beenden und Frieden im Donbass sowie Teilautonomie für Donezk und Luhansk zu schaffen sowie die Minsk-2-Vereinbarungen zu ratifizieren und umzusetzen.
Das Ignorieren der russischen Vertragsangebote (2021)
Auch das Verschweigen wesentlicher Tatsachen ist eine Lüge. Der Verhandlungsversuch Russlands mit ausformulierten Vertragsangeboten im Dezember 2021 wurde von den USA und den Staatsmedien der EU- und NATO-Länder ignoriert oder in einem Nebensatz abgewiesen. (4)
Ein selbständiger Staat, dem die Aufnahme von Friedensverhandlungen verboten wird, ist nicht handlungsfähig. Die Ukraine wird in einem Stellvertreterkrieg benutzt. Das Kriegsende kann nur mit den Befehls- und Geldgebern erreicht werden, also durch Gespräche zwischen Russland und den USA.
Für den Ukrainekrieg hat ein weiterer Satz des australischen Publizisten Gültigkeit:
Die USA sind nicht an siegreichen, sondern an endlosen Kriegen interessiert. Dies gilt wie in Afghanistan für das Ziel der Geldwäsche; die Umleitung von Steuergeldern in die freie Verfügbarkeit der transnationalen Eliten im Geflecht militärisch-industrieller Komplexe.
Ein Wikileaks-Dokument
In der Ukraine verfolgen die USA noch ein weiteres Ziel; Russland maximal zu schwächen, um auf anderen Schauplätzen ihrer geopolitischen Interessen frei Hand zu haben. Den US-Diplomaten waren die Gefahren der Zuspitzung der Ukrainekrise klar; Die Medienplattform Wikileaks, die keine Lügen, sondern Wahrheiten veröffentlichte, dokumentierte das im Komplex der „Cablegate“-Veröffentlichungen. (5)
Allerdings müssen nicht nur die USA und deren Verbündete auf dem Weg zu einer Lösung des Konfliktes vom Lügengebirge absteigen; auch Russland bedient sich zur Rechtferigung des Einmarsches fragwürdiger Argumente.
Fragwürdige russische Kriegsgründe
Die Ukraine – eine eigenständige Nation
Es ist sowohl rechtlich als auch sachlich nicht zu rechtfertigen, der Ukraine eine eigene nationale Integrität abzusprechen, nur weil das Land lange Perioden keine eigene Staatlichkeit durchsetzen konnte.
Die Landessprache Ukrainisch gehört zur ostslawischen Sprachgruppe, wie das Russische und Weißrussische. Nichtsdestoweniger ist es eine eigenständige Sprache mit eigener Schriftsprache. Bereits im 17. Jahrhundert gab es einen Staat der Ukrainer („Hetmanat“). Bei den polnischen Teilungen und im Spannungsfeld Deutschland-Russland konnten sie nur in den Umbruchzeiten Staatlichkeit erlangen. 1917 wurde die ukrainische Volksrepublik proklamiert; 1921 teilten Polen und Russland die Ukraine auf. 1945 wurde die Ukraine als Ukrainische SSR sogar Gründungsmitglied der UNO und schließlich 1991 nach Auflösung der Sowjetunion selbständig.
„Befreiung“ durch Krieg?
Sicher gab und gibt es unter den russischsprachigen Ukrainern besonders seit der offenen Unterdrückung von Sprache und Kultur durch die Kiewer Regierung den Wunsch anderer Lebensbedingungen. Aber mit Sicherheit hatten sie nicht den Wunsch, durch Bomben, Raketen und Artillerie befreit zu werden. Ein klares Zeichen hierfür ist der Meinungswandel innerhalb der russischsprachigen Bevölkerung von Charkiw.
Das Töten beenden
Das sich Russland durch die NATO-Osterweiterung mit der finalen Drohung der Aufnahme der Ukraine und Georgiens in das sogenannte Verteidigungsbündnis in seinen Sicherheitsinteressen verletzt sieht, ist nicht von der Hand zu weisen. Das bereits angeführte US-Dokument (5) zeigt, dass dies auch der NATO bewusst war.
Das internationale Recht ist jedoch eindeutig. Es gilt das UN-Gewaltverbot. Seine Verletzung wurde seitens der NATO provoziert, das Gebot von Russland ignoriert.
Wie kann die eskalierende Gewalt beendet werden? Die Geostrategen müssen gezwungen werden, zehntausende Tote in ihren Gleichungssystemen zu berücksichtigen – und sich an den Begriff der menschlichen Zivilisation zu erinnern.
Je länger der Krieg dauert, umso dringender werden diplomatische Bemühungen für sein Ende. Und desto schwerer wird ein Interessenausgleich, der zu Stabilität führen könnte.
Der Sicherheitsrat der UNO ist handlungsunfähig; Russland und die USA blockieren sich wechselseitig.
Eine Friedensmission unter Führung von UN-Generalsekretär António Guterres muss so schnell wie möglich gestartet werden.
In einer besseren Welt, in der auch der Wille der in einer Region lebenden Menschen eine Rolle spielte, könnten Volksabstimmungen über die Zugehörigkeit zu einem der beiden Staaten zur Lösung führen (Vorschlag von Henry Kissinger). Dies wäre begleitet von großzügigen Hilfen bei gewünschter Umsiedlung von Unterlegenen des Referendums.
Referenden der Bevölkerung eines Gebietes können Erfolg haben, müssen aber langfristig gesichert oder in Verhandlungen, nicht Kriegen, mit den Betroffenen zu anderen Lösungen geführt werden.
Chancen für Waffenstillstand und Verhandlungen sind allerdings momentan nicht in Sicht.
Freiheit für Julian Assange!
(1) https://wlcentral.org/node/2293
(2) https://twitter.com/MEMeddybemps/status/1612395378669674498
(3) https://jacobin.com/2022/02/maidan-protests-neo-nazis-russia-nato-crimea
(4) https://www.mid.ru/ru/foreign_policy/rso/nato/1790803/?lang=en&clear_cache=Y
(5) https://wikileaks.org/plusd/cables/08MOSCOW265_a.html#efmBTnBfi